Wie PIM-Systeme die Digitalisierung erst möglich machen – Teil 1
Digitalisierung, Industrie 4.0 (I4.0), Internet of Things (IoT), Industrial Internet of Things (IIoT), Disruption und noch viel mehr Buzzwords geistern durch die Unternehmen, die Presse und sogar durch die Politik. Schaut man sich auf den einschlägigen Industriemessen und Konferenzen um, bekommt man fast den Eindruck, dass das Thema Digitalisierung und Industrie 4.0 schon in der täglichen Praxis angekommen ist. Auf der im Frühjahr stattgefundenen Hannovermesse reihten sich die Messe-Exponate und Demonstratoren nur so aneinander, als Leistungsschau der Digitalkompetenz der deutschen Industrie.
Bohrt man jedoch durch die Marketing-Schicht in die Tiefe und blickt aufs Detail wird schnell klar, dass der aktuelle Stand der Digitalisierung aus vielen isolierten Insellösungen besteht, die Produktionsanlage von Hersteller X kann mit einer ähnlichen Anlage von Hersteller Y nicht kommunizieren auch wenn diese per Netzwerk verbunden sind. Von einer echten Vernetzung aller Komponenten und einer Autonomie der Assets sind wir noch weit entfernt. Aber woran liegt das? An der Technologie kann es nicht liegen, sowohl die Hardware als auch die Software gibt es seit Jahren wenn nicht gar Jahrzehnten. Die Netzwerktechnologien als auch die Kommunikationsprotokolle sind etabliert und standardisiert. Was jedoch fehlt ist die gemeinsame einheitliche maschinenlesbare (Daten-)Sprache. Da jeder Hersteller eigene proprietäre Daten vorhält und damit seine Produkte beschreibt, ist bei herstellerübergreifender Kommunikation von Geräten immer eine Datentransformation bzw. ein Mapping nötig.
Nach der ersten Euphorie der Industrie über die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung wie prädiktiv Maintenance, Produktion der „Losgröße 1“ etc. weicht die Goldgräberstimmung langsam einer Erkenntnis: keine Digitalisierung ohne Standardisierung der Daten. Man stelle sich nur mal vor das Bluetooth-Protokoll wäre nicht genormt. Erst wenn jeder Hersteller das gleiche Datenmodell mit demselben Content an der Schnittstelle bereitstellt, kann es eine einfache Vernetzung und den nötigen Datenaustausch geben. Nur so wird die Digitalisierung Fahrt aufnehmen und die erhofften Vorteile bringen.
An diesem (Start-)Punkt der Digitalisierung müssen zwei entscheidende Herausforderungen gemeistert werden. Zum einen muss jedes Asset einen global eineindeutigen Identifier bekommen, zum anderen müssen alle Assets in einem einheitlichen maschinenlesbaren Datenstandard beschrieben werden.
Der digitale global eindeutige Identifier
Der wichtigste Faktor für die Digitalisierung ist ein digitaler global eindeutiger Identifier, der für jeden Gerätetyp oder besser gleich für jede Geräteinstanz eineindeutig ist. Mit Geräteinstanz ist jedes einzelne Produkt gemeint, welches produziert wird und eine individuelle Seriennummer hat. Die chemische Industrie bewegt sich mit der Gründung des Konsortiums zur Erstellung der DIN SPEC 91406 inzwischen in genau diese Richtung. Dies entspricht zudem den Anforderungen der Plattform Industrie 4.0 (https://www.plattform-i40.de/I40/Redaktion/DE/Downloads/Publikation/hm-2018-produktkriterien.pdf).
Die Vorgaben der DIN SPEC 91406 sehen einen global eineindeutigen Identifier in Form einer URI (Uniform Resource Identifier) für jede Geräteinstanz vor. Dieser Identifier muss eineindeutig und individuell als 2D-Code (optional zusätzlich als RFID) auf jedem Gerät aufgebracht sein. Diese URI kann auch als WEB-URL (Uniform Resource Locator) ausgestaltet sein, welche es dann z.B. ermöglicht auf eine spezifische Webseite zu verlinken.
Durch die schnelle eindeutige Identifizierbarkeit des Gerätes und die Verknüpfung mit allen relevanten Informationen zu dieser Geräteinstanz sowie dem Einsatz von etablierten Technologien wie 2D-Codes könnte ein Servicetechniker mit einem Smartphone in Windeseile die im Moment benötigte Information finden ohne sich durch Handbücher wühlen zu müssen. Werden die Informationen jetzt noch geschickt strukturiert, modularisiert und mit Metadaten versehen sind mannigfaltige Use-Cases vorstellbar.
Abbildung 1: Identifier nach DIN Spec 91406 Quelle P+F
Der maschinenlesbare Datenstandard
Der Reiz der Mensch-zu-Mensch-Kommunikation liegt in den Zwischentönen, der Interpretation, der Pointierung, der Bildhaftigkeit und Verspieltheit. Das macht den Charme eines guten Gespräches aus. Doch Maschinen und Softwaresysteme haben wenig Sinn für diese kommunikativen Feinheiten. In der Maschine-zu-Maschine-Kommunikation ist komplette Transparenz und Eineindeutigkeit gefragt. Somit schießt sich die Nutzung des „menschlichen Vokabulars“ ziemlich aus, denn egal welche Sprache, es gibt immer semantische Abweichungen, grammatikalische Sonderregeln, Synonyme, Homonyme (Teekesselchen) und Akronyme etc. Die Maschine-zu-Maschine-Kommunikation bedarf aber einer eindeutigen, genormten, maschinenlesbaren Semantik.
Glücklicher Weise gibt es diese in Form des eCl@ss-Standards schon seit dem Jahr 2000. Eigentlich für das einheitliche Einkaufs- und Stammdatenmanagement gedacht wird eCl@ss gerade zum wichtigen Enabler für die Industrie 4.0 und die Digitalisierung im Gesamten.
Eine entscheidende Rolle spielen die in eCl@ss hinterlegten International Registration Data Identifier, oder kurz „IRDI“ genannt. In Konformität mit verschiedenen ISO-Normen entwickelt, erhält jedes in eCl@ss hinterlegte Element (Klasse, Merkmal, Wert etc.) über seine IRDI eine für Industrie 4.0 nötige eineindeutige kodierte Bezeichnung und somit eine Software-Repräsentanz.
Quelle: eCl@ss e.V.
Teil 2:
Die neue Rolle der PIM-Systeme
Produkt Informationsmanagementsysteme kurz PIM-Systeme sind inzwischen in den Unternehmen weit verbreitet, ihr Einsatzzweck geht dabei von der Erstellung von Datenblättern über gedruckte und digitale Kataloge bis hin zur Befüllung von e-Commerce Systemen. In Zeiten der Digitalisierung kommt dem PIM-System eine ganz neue Rolle zu: die Befüllung von Industrie 4.0- Verwaltungsschalen mit standardisierten Daten und maschinenlesbarer Semantik.
Fortsetzung folgt …
Autor:
Artur Bondza, Head of Product Information & Content Management – Pepperl+Fuchs AG
Artur Bondza ist gelernter Feinmechaniker und Ingenieur, er studierte an der HS Karlsruhe Technische Redaktion mit dem Schwerpunkt Mechatronik.
Seit 2004 arbeitet er bei Pepperl+Fuchs daran Prozesse im Content- und Datenmanagement zu verschlanken und zu digitalisieren. So führte er ein zentrales Contentmanagement-System ein und half mit dem Aufbau globaler Terminologie-, Übersetzungsprozesse und Tools dem Mannheimer Unternehmen die Herausforderungen der Globalisierung zu meistern. Aktuell beschäftigt er sich verstärkt damit KI-Technologien im Datenmanagement-Bereich nutzbar zu machen. Getreu seines Credos: keine Digitalisierung ohne Standardisierung, engagiert sich Artur Bondza auch beim ZVEI, DIN, DKE und eCl@ss, um mit übergreifenden Standards die Vision der Industrie 4.0 und des IoT wahr zu machen.